Op 21 februari 1921 hield Rudolf Steiner in Utrecht een voordracht.
Deze heb ik niet in de Gesamt Ausgabe kunnen vinden, maar die werd wel gedrukt weergegeven door het Studiecentrum voor Antroposofie in Utrecht, 1996.
Op 24 februari hield Steiner daar ook een pedagogische voordracht die in GA 297A staat en een vertaling en vragenbeantwoording staat op deze blog.
De voordracht van 21 februari 1921 met vragenbeantwoording volgt hier in het Duits:
DIE ANTHROPOSOPHISCHE GEISTESWISSENSCHAFT UND DIE ZIVILISATIONSFRAGEN DER GEGENWART
Rudolf Steiner
Öffentlicher Vortrag I, Utrecht, 21 Februar 1921
Meine sehr verehrten Anwesenden ! Derjenige, welcher im vollen Ernst über ein solches Thema spricht, wie dasjenige des heutigen Abends ist, oder auch dasjenige, welches ich am 24. Februar hier in Utrecht besprechen werde, er muβ sich bewuβt sein, wie es allerdings schon in der Gegenwart zahlreiche Seelen gibt, die sich sehnen nach einer neuen Weltanschauung oder wenigstens nach einem neuen Einschlag in die Weltanschauung und Lebensgestaltung.
Man kann allerdings sagen, daβ nicht alle diejenigen Seelen, die sich in unserer Gegenwart nach einem solchen neuen Einschlag sehnen, sich dessen schon ganz voll bewuβt sind. Manches schlummert von dieser Sehnsucht in den Untergründen der menschlichen Seele. Allein für denjenigen, der sowohl das Seelenleben im Einzelnen, wie auch das soziale Leben der Gegenwart unbefangen betrachten kann, für ihn ist es ohne Weiteres klar, daβ es ein Suchen, ein ernstes Suchen solcher Seelen in der Gegenwart gibt. Und dieses Suchen hängt im Grunde genommen zusammen mit den groβen Zivilisationsfragen dieser unserer Gegenwart.
Es gibt viele solcher Zivilisationsfragen in der Gegenwart, allein sie werden sich alle mehr oder weniger beherrschen lassen, wenn man sie von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet. Die eine groβe Rätselfrage, die in die menschlichen Seelen sich hinein gesenkt hat, möchte man sagen, seit langer Zeit, und die heute eine ganz besondere Offenbarung in diesen Seelen schon findet, sie rührt her von der wissenschaftlichen Entwicklung der letzten drei bis vier Jahrhunderten. Diese wissenschaftliche Entwicklung hat der Menschheit in Erkenntnisbeziehung groβe, gewaltige Triumphe gebracht, bemerkenswerte Einsichten geliefert. Allein für denjenigen, der nun mit ganzer Seele gerade in bezug auf Seelen-und Geistesfragen an die Ergebnisse dieser modernen Wissenschaft herantritt, für den wird ein Verständnis immer klarer und klarer. Ich bemerke im Voraus, damit ich nicht miβverstanden werde: diejenige Geisteswissenschaft, die anthroposophisch orientiert ist, und die ich hier meine, indem ich meine Ausführungen gebe, sie steht voll auf dem Boden moderner naturwissenschaftlicher Denkweise. Aber wir werden sehen, daβ sie gerade deshalb, weil sie ganz voll auf diesem Boden stehen will, über dasjenige hinaus gehen muβ, was gewöhnlich als Grenze dieser naturwissenschaftlichen Denkweise angesehen wird.
Derjenige, welcher nicht nur äuβere Kenntnisse für irgend welche praktische oder sonstige Lebensverrichtung will, sondern der aus den naturwissenschaftlichen Einsichten etwas gewinnen will für das Leben seiner Seele und seines Geistes, der wird allerdings, wenn er unbefangen genug dazu ist, nach und nach gewahr, daβ, je tiefer man sich in diese Einsichten hinein begibt, desto mehr bedeuten sie eigentlich Rätsel, desto weniger lösen sie uns irgend etwas von dem, was aus der Seelentiefen heraufquillt als die groβen Daseinsfragen des menschlichen Lebens. Im Gegenteil, sie lehren uns etwas ganz anderes, diese naturwissenschaftlichen Einsichten; sie lehren uns die Fragen, die wir aus der gepreβten Seele heraus stellen müssen als Menschen, tiefer, gründlicher zu stellen. Sie lehren uns mehr Rätsel aufwerfen, als wir früher aufgeworfen haben, denn für einen solchen Unbefangenen, der mit ganzer Seele sich in diese Einsichten hineinlebt, läβt es sich ja gar nicht anders machen, als daβ er ein Verhältnis herstellt zwischen dem, was Naturwissenschaft in den letzten drei bis vier Jahrhunderten gebracht hat, und zwischen dem, was in den alten, traditionellen Religionsbekenntnissen als eine wirkliche seelische Erhebung, als ein wirklicher seelischer Inhalt gegeben ist. Man kann theoretisch viel über die Frage sprechen, ob das religiöse Leben, das religiöse Vertiefen des Menschen einen eigenen Weg gehen soll neben dem neueren wissenschaftlichen Erkennen. Die Seele des Menschen ist einmal eine, und er kann nicht anderes, als, wenn er auf der einen Seite Lebensnahrung für die ewige Bestimmung seiner Seele aus religiösen Grundlagen schöpft, und auf der anderen Seite entgegennimmt dasjenige, was ihm zu sagen haben zum Beispiel über den Bau des Himmelsgebäudes, über die Entwicklung der organischen Lebewesen und Ähnliches die Naturwissenschaften, er kann nicht anderes als fragen: Wie verhält sich das Eine zu dem Anderen. Wir können mit unserem Intellekt sagen: die beiden Lebensgebiete strömen aus verschiedenen Quellen heraus. So sehr wir auch davon deklamieren, wie sie aus verschiedenen Quellen herausflieβen, in unserer Seele flieβen sie doch zusammen, und wir müssen einen Ausgleich suchen. Aber in dem Suchen nach diesem Ausgleich ergeben sich neue Rätsel, zu denen der Mensch der Gegenwart, wenn er wirklich aufblickt zu dem allgemeinen Bildungsleben, wenn er in diesem allgemeinen Bildungsleben drinnen steht, einfach hingetrieben wird, die ihn beunruhigen, die nach irgend welchen, noch anderen Quellen rufen, aus denen eine wirkliche Vereinheitlichung unseres ganzen Seelenlebens herausflieβen muβ.
Und so sehen wir, daβ eine der wichtigsten Zivilationsfragen der Gegenwart eigentlich eine innere Seelenfrage ist. Wir müssen, bevor wir in das soziale Leben irgendwie maβgeblich eingreifen wollen, mit uns selber fertig werden. Wir müssen innerlich eine gewisse Festigkeit gewinnen. Daher sind im Grunde genommen alle äuβeren Fragen des Lebens, alle Fragen der Lebenspraxis doch abhängig von den Fragen des menschlichen Seelenlebens. Das von der einen Seite über die groβen Zivilisationsfragen der Gegenwart.
Aber noch von einer anderen Seite kommen Lebensrätsel über den gegenwärtigen, den modernen Menschen. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sind ja nicht bloβ Erkenntnisse geblieben. Sie haben in einer weitgehenden Weise, in einer gerade bewundernswerten Weise eingegriffen in das praktische Leben.
Sie haben uns in der modernen Technik alles dasjenige gebracht, was wir im Grunde genommen heute im äuβeren Leben auf Schritt und Tritt begegnen, ohne das die moderne Menschheit eigentlich nicht mehr leben kann. Aber auch hier haben uns die modernen Ereignisse, die praktischen Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Denkweise eigentlich nicht Lösungen gebracht, sondern im Grunde genommen neue, praktische Lebensrätsel. Wir haben es dahin gebracht im Laufe der letzten zwei bis drei Jahrhunderten, eine komplizierte Technik, und ein damit zusammenhängendes kompliziertes Menschenleben zu gestalten. Wir muβten die Menschen in groβer Anzahl hinstellen an die Maschine, welche ein Ergebnis der modernen naturwissenschaftlichen Denkweise ist. Wir haben hineinversetzen müssen die Menschheit in die modernen Verkehrsverhältnisse, welche ein Ergebnis eben dieser Denkweise sind. Auf dem Gebiet des rein mechanisch-maschinellen Wirkens, auch da, wo das Mechanische auftritt im Kommerziellen, im Weltverkehrswesen, in der Weltwirtschaft, hat sich die naturwissenschaftliche Denkungsweise als fruchtbar erwiesen. Aber in bezug auf die soziale Denkweise, in bezug auf den Verkehr des Menschen mit den Menschen als Mensch hat sie sozusagen alles übrig gelassen.
Darüber braucht man sich gar nicht theoretisch zu unterrichten, das sieht man an den Konvulsionen sozialer Natur, die sich in der Gegenwart kundgeben, und die schreckhaft aufwühlend wirken in der Menschheit. Man sieht es daran, wie wenig zunächst Rat in der Menschheit vorhanden ist, diese Kräfte, die nach und nach einen furchtbar zerstörerischen Charakter, einen lebenszerstörenden Charakter annehmen, in irgend einer, der Menschheit gedeihlichen Weise zu leiten und zu lenken.
Und so sind gerade in bezug auf das Menschliche, in bezug auf das Moralische, in bezug auf das Seelisch-Geistige im Verkehr von Mensch zu Mensch viele Rätsel heraufgezogen in diesem modernen, zivilisatorischen Leben.
Und wir stehen vor der groβen Seelenfrage: Wie vereint sich moderne Einsicht mit demjenigen, was religiöse Bedürfnisse der Menschheit sind? Und wir stehen vor der groβen, praktischen sozialen Lebensfrage: Wie bringen wir eine solche Richtung in dasjenige hinein, was mechanisch-technisches Leben geworden ist, das in einem der modernen Anschauungen gewachsenen Sinn auch ein Verkehr im Verhältnis von Mensch zu Mensch so möglich ist, daβ von allen Menschen dieses Verhältnis als zu einem menschenwürdigen Dasein führend empfunden werde?
Kurz, so stehen vor uns Lösung heischende, zivilisatorische Fragen, die in die beiden angegebenen Strömungen laufen. Die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft, über welche ich hier heute zunächst in bezug auf ihre Erkenntnisse orientierend sprechen möchte, sie will gerade an diese Rätselfragen herantreten, die von der beiden eben charakterisierten Seiten an den modernen Menschen kommen. Sie muβ es aber in einer Weise tun, die ungewohnt ist heute noch den breitesten Massen der Menschheitsbevölkerung eben der zivilisierten Welt. Sie wird daher von der einen Seite als Phantasterei angesehen; sie wird von der anderen Seite vielleicht als noch etwas Schlimmeres angesehen.
Allein, man kann in der Menscheitsentwicklung nicht weiter kommen, wenn man nicht den Entschluβ fassen wollte, auch dasjenige auszusprechen, was in irgend einem Zeitalter, weil es ungewohnt ist, noch auβerordentlich scharf bekämpft wird.
Wir sehen es ja an den Seelen, die das was ich vorhin gekennzeichnet habe, in einer besonders scharfen Weise empfinden, wie sie sich sehnen gewissermaβen nach einem Hineinströmen einer übersinnlichen, geistigen Welt in die Menschenseele durch Erkenntnis. Und da kommen solche sehnenden Seelen heute auf gar manches, das allerdings nicht mit unserem zivilisatorischen Leben in der Gegenwart vereinbar ist. Wir sehen zahlreiche Seelen, welche hinblicken auf dasjenige, was in alten Zeiten bei unseren Vorfahren vorhanden war: eine gewisse Harmonie zwischen religiöser Empfindung, künstlerischer Gestaltung und wissenschaftlicher Erkenntnis. Auch die äuβere anthropologische Wissenschaft teilt ja heute der Menschheit durch ihre Forschungen über alte Zeiten Dinge mit, durch die man eine hohe Achtung gegenüber diesen alten Kulturen haben muβ. Manche Menschen schielen hinüber nach dem Oriente, wo allerdings in dekadenter Weise Reste einer alten Urweisheit sich erhalten haben. Sie möchten eine Empfindung haben von dem was einstmals war. Wir sehen Dieses bei zahlreichen Seelen auftauchen, müssen aber, wenn wir den Sinn der Menschheitsentwicklung wirklich verstehen, uns sagen, das wir zwar begreifen können solche Seelen, die sich sehnen nach irgend einem Alten oder nach dem, was von einem Alten in Dekadenz geblieben ist, wie etwa die indische Mystik oder dergleichen. Wir können ein solches Sehnen verstehen, müssen aber sagen: es widerspricht ein solches Sehnen durchaus den Sinn der ganzen menschlichen Entwicklung. Denn diese Entwicklung ist doch so, daβ jedes Zeitalter seinen eignen Charakter hat. Und was einmal entsprechend war den Trieben und Empfindungen der menschlichen Seele in alten Zeiten, das ist es nicht mehr heute. Wir müssen allerdings auch noch Anderes sagen. Wir müssen sagen: Dieser Drang nach dem Alten, oder dieser Drang nach Aufwärmung orientalischer Weistümer, er entspringt auch einer gewissen Müdigkeit der modernen Menschenseele.
Diese Müdigkeit der modernen Menschenseele, sie kündigt sich dadurch an, daβ der Mensch zwar sich versenken mag in dasjenige was Jahrhunderte oder Jahrtausende alte Tradition ist, daβ er sich hingeben mag an dasjenige, was überkommene äuβere Einrichtungen des praktischen Lebens sind, daβ er aber innerhalb des heutigen komplizierten Lebens nur schwer sich aufrafft dazu, ein Schöpferisches, ein elementar Schöpferisches in der menschlichen Seele zu entfalten, das geeignet ist, neue geistige Kräfte aus den Untergründen der Seele an die Oberfläche derselben zu befördern, das geeignet ist, dem praktischen sozialen Leben neue Richtlinien zu geben. Hingeben mag sich leicht der moderne Mensch, aber Schaffen, das liegt im Grunde genommen seiner stark ermüdeten Seele fern. Aber an die schöpferischen Kräfte der Menschenseele möchte sich gerade die hier gemeinte anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft wenden. Denn sie glaubt zu erkennen, daβ nur aus einer Neuschöpfung aus den tiefsten, elementarsten Kräften der Menschenseele heraus Befriedigung über dasjenige kommen kann, was im Grunde genommen in der charakterisierten Weise von Zahlreichen Menschen heute aus den groβen zivilisatorischen Strömungen ersehnt wird.
Dasjenige, was Geisteswissenschaft zunächst in bezug auf Erkenntnis ihrerseits zu bieten hat, das steht allerdings ganz auf dem Boden moderner naturwissenschaftlicher Denkweise. Aber, sie muβ zu gleicher Zeit, weil sie auf diesem Boden steht, über diese naturwissenschaftliche Denkweise hinausgehen zu der Erkenntnis eines Übersinnlichen, während diese naturwissenschaftliche Denkweise nur ergreift mit ihren Erkenntnismitteln, mit ihren allerdings groβartigen bewunderungswürdigen Erkenntnismitteln die äuβere Sinneswelt und dasjenige, was der Verstand aus dieser Sinneswelt herauskombinieren kann als abstrakte Naturgesetze und dergleichen.
Wenn ich das Verhältnis desjenigen was ich hier meine als anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft, zu dieser modernen Naturwissenschaft kennzeichnen soll, so möchte ich einen historischen Vergleich gebrauchen. Aber ich bitte Sie, mir diesen Vergleich nicht als Unbescheidenheit anzurechnen. Er ist nicht so gemeint. Es soll nicht verglichen werden ohne weiteres der schwache Versuch, der heute erst gegeben werden kann mit der Geisteswissenschaft, und der der schwachen menschlichen Kraft entspricht, mit einem groβen, gewaltigen Ereignis, sondern mit etwas, was auch eigentümlich ist diesem historischen Ereignis, ich meine die Entdeckung Amerikas.
Als Kolumbus ausfuhr zur Entdeckung Amerikas, da war es so, daβ er es eigentlich so meinte, über das groβe Weltmeer fahren zu müssen, um dasjenige, was ihm schon bekannt war, von der anderen Seite zu erreichen, nämlich Indien zu erreichen von der anderen Seite. Man glaubte also hinzusteuern nach etwas schon Bekanntem. Auf dem Wege fand man aber ein Unbekanntes, das man nicht geahnt hat.
So geht es im Grunde genommen mit dem modernen Geistesfortscher. Er will ausgehen von dem, was aus zahlreichen wissenschaftlichen Bestrebungen heraus das moderne Leben bietet. Er möchte sich hinaus wagen, auf all die Forschungswege, welche eingeschlagen werden in der gewissenhaften, durchaus methodischen Weise von diesem modernen Wissenschaftsleben. Allein auf dem Wege hierzu, findet er nicht dasjenige, was im Grunde genommen eine groβe Anzahl von Forschern zu finden meinen: eine Art Bekanntes, das doch, wenn es auch durch seine Kleinheit oder dergleichen unterschieden sein soll von dem, was wir in unserer Sinneswelt um uns haben, doch wiederum ein Bekanntes ist. Wie Kolumbus Indien zu erreichen vermeinte, also ein Bekanntes, so möchten die Forscher des äuβere n Sinnengebietes entdecken Atome, Moleküle, Ione, Elektronen und dergleichen, was doch nichts anderes ist als ins Kleinste umgesetzt dasjenige, was wir schon haben in der Sinneswelt. Und wenn wir nun mit den gewissenhaften modernen Forschungsmethoden hinausschauen in den Weltenraum, bewaffnet mit all den bewundernswürdigen Instrumenten, die konstruiert worden sind, so wollen wir auch nichts anderes finden als dasjenige, was wir hier auf der Erde schon kennen. Wir konstruieren uns den ganzen Himmel zusammen aus den sinnlichen Elementen, die wir schon auf der Erde haben.
Erwarten mag man das zunächst, und im Grunde genommen wird jeder, der nicht Dilettant ist im wissenschaftlichem Leben der Gegenwart, sondern ausgeht von dem gewissenhaften wissenschaftlichen Leben dieser Gegenwart, vielleicht ein Ähnliches erwarten. Wenn er aber ganz klar sein wird über dasjenige, was da eigentlich bei ihm als Forscher vorliegt, dann kommt er zu etwas Anderem. Er glaubt vielleicht zu etwas Bekanntem zu kommen, zu Atomen, Molekülen, zu Ionen, Elektronen, aber er entdeckt auf dem Wege ein Unbekanntes, so unbekannt, wie den Indienfahrern Amerika war. Er entdeckt auf dem Wege, gerade indem er sich vertieft in die Denkprozesse, in die ganzen Seelenprozesse, die er anwenden muβ bei dem naturwissenschaftlichen Forschen, eine ihm vorher unbekannte, übersinnliche Welt.
Ausbilden im Feineren, im Weiteren will anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft dasjenige, was man innerlich seelisch tut, indem man in der Klinik, im Laboratorium, auf der Sternwarte forscht. Allein, indem sie recht exakt aufmerksam wird auf dieses innerliche Verrichten der Seele, muβ sie sich darauf besinnen: Da ist es doch der Geist, der auch, wenn er sich nur an das äuβerlich Materielle hält, in dir tätig ist, gerade im methodischen Forschen. Und dann, wenn man einmal ganz herzhaftig und ganz so stark, als es die menschliche Seele nur kann, seine eigene Tätigkeit beim Forschen gewahr wird, dann gewinnt man den Drang, diese Seelenkräfte die man in sich trägt, die gewissermaβen anzuregen sind durch die gewöhnliche Erziehung, weiter auszubilden. Und dann kommt man zu den geisteswissenschaftlichen Methoden, von denen ich Ihnen jetzt eine kleine Andeutung geben möchte.
Am Ausgangspunkte dieser geisteswissenschaftlichen Methoden muβ allerdings eines stehen, was der heutigen Menschheit auch recht ungewohnt ist. Dasjenige muβ stehen vor dem geistesforscherischen Wege, was ich nennen möchte ‘intellektuelle Bescheidenheit’. Und ich möchte wiederum durch einen Vergleich erklären, was ich unter intellektueller Bescheidenheit verstehe. Denken sie sich ein fünfjähriges Kind, wir geben ihm einen Band Shakespeares in die Hand, was wird es damit anfangen? Es wird ihn zerreiβen oder sonst mit ihm spielen, aber ganz gewiβ wird es nicht dasjenige damit machen, was dem Band Shakespeares angemessen ist. Wenn das Kind weitere zehn bis fünfzehn Jahre gelebt hat, so werden seine Seelenkräfte sich so entwickelt haben, daβ es das Richtige mit diesem Bande Shakespeares anfangen wird. Wir können sagen: herausgeholt ist aus dem verborgensten Innern dieses Kindes dasjenige, was es nun zu etwas ganz anderem befähigt, als wozu es früher im Stande war.
Man muβ sich nun in intellektueller Bescheidenheit sagen können, wenn man ein Geistesforscher werden will: Man könnte ja der ganzen Natur, die uns umgibt, auch als erwachsener Mensch so gegenüberstehen, wie das fünfjahrige Kind dem Bande Shakespeares, und man könnte sich dadurch aufgefordert fühlen, nun weiter die Seelenkräfte zu entwickeln durch eigene Handhabung, wie bei dem fünfjahrigen Kinde die Seelenkräfte allmählich entwickelt worden sind, wodurch aus dem Kinde etwas ganz anderes gemacht wurde, als es vorher war. Solche Methoden, wie sie im Grunde genommen schon begonnen sind beim naturwissenschaftlichen Forschen, nur auf natürliche Weise gegeben, solche Methoden sucht geisteswissenschaftliche Forschung weiter auszubilden. Und diese geisteswissenschaftliche Forschung, sie ruht nicht auf irgendwelchen äuβeren Maβnahmen, sie ruht ganz und gar auf innerer Seelenarbeit. Diese innere Seelenarbeit ist allerdings nicht etwa leichter zu verrichten als die Arbeit im Laboratorium, in der Klinik oder auf der Sternwarte. Dasjenige, was ich Ihnen jetzt schildern werde als den inneren Seelenweg des Geistesforschers, das fordert zu seiner wirklichen Ausbildung jahrelange innere Austrengung, obwohl man nicht mit äuβeren Werkzeugen, mit äuβeren Instrumenten hantiert, sondern lediglich mit den Kräften der Seele selbst; und es sind im Grunde genommen Seelenkräfte, die durchaus im gewöhnlichen Leben schon vorhanden sind, die nur weiter ausgebildet werden müssen.
Die Menschheit liebt es heute nicht, solche Seelenkräfte in sich weiter auszubilden. Man ist gerade durch den modernen Entwicklungsweg dahin gekommen, nicht mehr so zu denken, wie man in gewissen alten Zeitaltern über die menschliche Entwicklung gedacht hat. Das ist von der einen Seite voll berechtigt, aber von der anderen Seite ist es so, daβ wiederum andere Anschauungen an Stelle der Landläufigen treten müssen. Gerade deshalb sehnen sich viele suchenden Seelen, wie ich schon sagte, heute unhistorisch nach einer gewissen Art, wie unsere alten Vorfahren zu ihren Erkenntnissen gekommen sind, weil diese Vorfahren im Erkenntnisweg doch etwas ganz anderes gesehen haben, als die heutigen Menschen darin sehen. Man hat in den alten Zeiten – ich kann das nur andeuten, weitere Ausführungen können Sie heute schon in der äuβeren Wissenschaft finden – man hatte in alten Zeiten Weisheitsschulen, die man auch wohl die Mysterien nennt. In diesen Mysterien wurde nicht in derselben Weise eine bloβ mehr auf den Intellekt hinzielende Wissenschaft gepflegt, wie das heute der Fall ist, sondern es wurde eine Wissenschaft gepflegt, die durchaus so intensiv zu der Menschenseele sprach, das sie hineinträufelte in die Tiefen dieser Seele, indem sie religiöse Inbrunst zugleich aus dieser Seele auslöste, die diese Seele so anregte, daβ sie zu gleicher Zeit dasjenige, was sie als Erkenntnis empfing, in künstlerischen Anschauungen empfing. Kunst, Religion, Wissenschaft, sie waren eins in diesen alten Mysterien. Aber in diesen alten Weisheitsschulen sprach man von der Erlangung höherer Erkenntnisse in der Weise, daβ man an den ganzen Menschen und nicht bloβ an den Kopf appellierte. Und man sprach von etwas, von dem zu sprechen heute in einer gewissen Weise gefährlich ist, weil man der Paradoxie oder Phantastik beziehen wird, wenn man davon spricht. Man sprach davon, daβ zwischen dem, was der Mensch im gewöhnlichen Leben wissen, fühlen und wollen kan, und demjenigen, dem eigentlich seine Seele als dem Übersinnlichen zugehört, das zwischen diesen zwei Gebieten des äuβeren und des inneren Lebens ein Abgrund sich auftut und daβ dieser Abgrund erst durch Überwindung, durch innere Kämpfe der Menschenseele überschritten werden könne. Man sprach von der Schwelle welche das gewöhnliche Leben trennt von der übersinnlichen Welt, der eigentlich die Seele zugehört. Und man sprach davon, daβ der Mensch durch die Weltenmächte behütet ist, unvorbereitet in das Reich der übersinnlichen Erkenntnis einzutreten. Nicht eine bloβe Personifikation, sonder sehr reales Erlebnis war es für die Schüler der alten Weisheitsschulen, wenn sie sprachen von dem Hüter der Schwelle.
Dieser Hüter der Schwelle war nicht erlebt worden, wenn man den Abgrund nicht übersteigen wollte zwischen der sinnlichen und der übersinnlichen Welt. Aber man muβte an ihm vorbei schreiten, wenn man in die übersinnliche Welt hineinkommen wollte. Er wurde sozusagen erst sichtbar, wenn man seine Erkenntnis aufschwingen wollte zu den übersinnlichen Gebieten des Daseins. Aber man solle und dürfe das nicht tun, so sagten die alten Weisheitslehrer, ohne daβ der Mensch in gesunder Weise vorbereitet werde, und ohne daβ er noch andere Bedingungen erfülle. Denn anders, als wir jetzt sprechen, sprach man in alten Zeiten von dem, was eigentlich menschliche Weisheit und menschliche Wissenschaft ist. Man sagte: Der unvorbereitete Mensch, wenn ihm die Wissenschaft vom Übersinnlichen übergeben wird, sie wird für ihn eine Quelle der Versuchung, nicht nur das Gute zu vollbringen, sondern auch das Böse zu vollbringen; das Wissen vom Übersinnlichen stachelt auf menschliche Begierden, die sonst schweigen uns gezähmt sind durch dasjenige, was die äuβerliche Moral ist. Durch die Einsicht in das Übersinnliche, lassen sich diese Begierden nicht mehr zähmen. Daher verlangten diese alten Weisheitslehrer von ihren Schülern, das sie sich unterzogen solch einer Willenszucht, solch einer Erziehung, daβ diese Instinkte zurücktreten, daβ diese Instinkte nicht mehr sprachen, sodaβ diese Schüler hörten auf alles dasjenige, was ihnen als eine reine Moral vermöge ihrer naturgemäβen Autorität die alten Weisheitslehrer vorbrachten. Und sie verlangten strengen Gehorsam. Sie sehen, das war ein Verhältni s des Schülers zum Lehrer, das sich vielfach noch in kirchlichen Zusammenhängen erhalten hat. Aber sie werden mir auch zugeben: Das moderne Leben ist so beschaffen, daβ es auf allen Gebieten ein solches Verhältnis nicht mehr haben will. Wir können mit groβer Achtung, mit vollem Verständnis hinaufblicken zu jenen alten Zeiten, in denen so mit gewissen Geboten, mit strengen Geboten für Ethisches, für Moralisches, für Gehorsam, für religiöse Achtungsgefühle dem Schüler Wissenschaft und Weisheit übergeben wurde – sonst wurde es ihnen nicht übergeben, wenn sie sich nicht diesen Bedingungen unterwarfen. Wir können für alte Zeiten das berechtigt empfinden, aber heute können wir nicht mehr aus unseren modernen, menschlichen Verhältnissen heraus eben solche Beziehungen zu Wissenschaft und Weisheit eingehen. Das verstehen diejenigen aber nicht, welche alte Weistümer, dekadente Weisheit des Morgenlandes, wiederum aufwärmen wollen. Wir brauchen heute ein Anderes, und das gibt sich uns aus einer Tatsache kund, die ich in der folgenden Weise charakterisieren will.
Da möchte ich zuerst fragen: Warum war es denn eigentlich, daβ die alten Weisheitslehrer, bevor sie Wissenschaft und Weisheit überlieferten, ihre Schüler solch strenger Zucht, Willenszucht, Willenserziehung unterzogen ? Das war aus dem Grunde, weil die Seelenverfassung der Menschen der Vorzeit eine ganz andere war, als die unsrige ist. Die äuβere Geschichte, sie gibt uns ja eigentlich nur auch das Äuβere der Menschheitsentwicklung. Daβ in der Tat die menschliche Seele im Laufe der Zeiten gewaltige Metamorphosen durchgemacht hat, davon spricht diese äusere Geschichte heute nur auβerordentlich wenig. Wir brauchen gar nicht etwa nach dem alten Indien oder nach sonstigen Gegenden des Orients zurückzugehen, sondern wir brauchen nur in die Zeiten des alten Griechenland, vielleicht in die etwas früheren und in die mittleren Zeiten des alten Griechenland zurückzublicken, und wir finden noch eine ganz andere Seelenverfassung bei den Menschen. Dasjenige was wir den Intellekt nennen, dasjenige, worauf wir einen so groβen Wert als unsere Verstandeskultur legen, das war noch nicht als ein abgesondertes Seelenvermögen bei diesen älteren Menschen ausgebildet. Bei ihnen wirkten Instinkte, Triebe, Willensimpulse, Gefühlsregungen, Gefühlskräfte aus den Tiefen der Seele herauf und durchdrangen die abstrakten Begriffe. Die Erkenntnis wirkte aus dem vollen Menschen heraus, nicht bloβ aus dem Kopf heraus. Wir können uns nur eine Vorstellung machen, was für den Griechen Erkenntnis war, wenn wir auf diesen Ursprung seiner Erkenntnis aus dem vollen Menschen heraus eingehen können.
Das ist in unserer Zeit anders geworden. Aus der Galiläi-Kopernikanischen Weltanschauung heraus und aus all dem was damit zusammenhängt in moderner Naturauffassung, hat sich für uns einseitig das intellektuelle Leben entwickelt.
Einige von Ihnen werden gewiβ sagen, dieses intellektuelle Leben wäre nicht in einer solchen Einseitigkeit da, wie ich es eben darstellen möchte. Wir experimentieren, das ist richtig; wir haben es da zu tun mit äuβeren Tatsachen und mit dem, was sie offenbaren, und nicht mit dem bloβen Intellekt. Wir beobachten gewissenhaft nach unseren Methoden in allen Reichen der Natur und im sonstigen Weltengebäude. Wir haben es nicht mit dem bloβen Intellekt zu tun. Gewiβ wir experimentieren, wir beobachten, aber indem wir das tun, wenden wir auf dieses Experimentieren und Beobachten nur unserer Intellekt an. Und wir sind geradezu darauf aus, nur dasjenige als Wissenschaft und menschliche Weisheit anzuerkennen, was an den Experiment und der Beobachtung durch den Intellekt an solchen Naturgesetzen oder auch historischen Gesetzen gewonnen wird, das in intellektuelle Formen gebracht werden kann. Unsere ganze Seelenverfassung ist eine intellektualistische geworden. Dadurch unterscheidet sie sich von der alten Seelenverfassung. Diese alte Seelenverfassung, ihr kamen, indem sie nach Erkenntnis strebte, nicht bloβe Begriffe, nicht bloβe Ideen, ihr kamen aus den Tiefen der ganzen menschlichen Organisation herauf Empfindungen, Seeleninhalte über die Weltentwicklung selbst. Es gab für die Alten eine Welterkenntnis, wenn sie sich überhaupt auf den Pfad der Erkenntnis begaben. Sie fühlten sich so mit der Natur verbunden, daβ sie, indem sie Minerale, Pflanzen, Tiere betrachteten, indem sie den physischen Menschen betrachteten, überall zu gleicher Zeit ein Geistig-Seelisches betrachteten. Mann nennt das heute Animismus, aber mann kennt sehr wenig das Wesen desjenigen, um was es sich da handelt. Dieses Wesen, es besteht darin, daβ in alten Zeiten der Mensch, wenn er ansah die äuβere Natur, nicht nur die trockene äuβere Sinneswahrnehmung vor sich hatte, sondern aus Allem kam ihm ein Geistiges entgegen. Er wuβte den Blitz innig verbunden mit dem, was in seinem eigenen Innern vorgeht. Er wuβte die ziehenden Wolken verbunden mit dem, was in seinem Innern vorgeht. Er fühlte sich angehörig dem ganzen Weltenall. Er fühlte sich so als Glied dieses Weltenalls, wie der Finger sich an mir fühlen würde als ein Glied von mir, wenn er ein Bewuβtsein hätte. Aus diesem Weltgefühle ging alle alte Erkenntnis hervor. Aber dieses Weltgefühl war nur dadurch vorhanden, daβ das Selbstgefühl, selbst bei den alten Griechen noch, nicht so ausgebildet war, wie unseres Selbstgefühl. Das Selbstgefühl war dumpf, und deshalb sagte der alte Weisheitslehrer: Man darf die Schüler nicht einfach einführen in eine höhere Erkenntnis, zu der ein höheres Selbstgefühl unbedingt notwendig ist, denn sie würden, wenn sie unvorbereitet zu diesen Erkenntnissen kämen, in eine Art seelischer Ohnmacht verfallen. Diese seelische Ohnmacht, die sollte bekämpft werden durch die Willenszucht, die Willenserziehung.
Wie ist das bei uns? Ja, das sehen wir am besten aus dem Folgenden. Wir sind heute mit Recht stolz auf dasjenige, was wir zum Beispiel über das äuβere Weltengebäude wissen durch die Kopernikanische Weltanschauung. Wir bekennen uns heute zu der Anschauung, die Sonne stehe im Mittelpunkt unseres Planetensystems, die Erde bewege sich mit groβer Geschwindigkeit um die Sonne. Wir nennen das die heliozentrische Weltanschauung, im Gegensatz zur Weltanschauung des Mittelalters und des Altertums, welche die Erde in den Mittelpunkt unseres Planetensystems gerückt hatten, sodaβ sich der Mensch auf dem festen Boden der Erde, ruhend im Weltenraum fühlte und die Sonne kreisen lieβ mit den anderen Planeten um die Erde. Aber schon aus der äuβeren Geschichte kann man ersehen, daβ dasjenige, was wir heute heliozentrische Weltanschauung nennen, nicht unbekannt war den Alten; daβ es in den Weisheitsschulen nicht unbekannt war. Davon spricht die heutige Weltanschauung nicht. Aber man braucht nur bei Plutarch nachzulesen, was er über die Himmelsanschauung des Aristarch von Samos, Jahrhunderte vor der Entstehung des Christentums, schreibt, so wird man sehen, daβ Aristarch von Samos die heliozentrische Weltanschauung verkündete; daβ er die Sonne im Mittelpunkt stehen läβt des Planetensystems, daβ er die Erde herumkreisen läβt um die Sonne. Aristarch von Samos verkündete nur in einer mehr äuβerlich wahrnehmbaren Weise dasjenige, was in den Weisheitsschulen sonst den Schülern verkündet worden ist, nachdem sie zuerst die Vorbereitung durchgemacht hatten. Und manches Anderes wurde da verkündet, was wir ebenso wie die Kopernikanische Weltanschaung, wie das heliozentrische Weltensystem, heute ganz in der allgemeinen Menschenbildung drinnen haben, was wir sozusagen in der Elementarschule schon als etwas uns aneignen, das eben zu unserer allgemeinen Bildung gehört.
So können wir also die merkwürdige Tatsache verzeichnen, daβ die alten Weisheitslehrer dasjenige, was für uns heute gewöhnliche Schulbildung ist, den Schülern erst überlieferten, nachdem diese eine strenge Willenszucht, eine Willenserziehung durchgemacht hatten. Sie riefen in den Schülern das Bewuβtsein hervor: Ihr müβt die Schwelle zur geistigen Welt überschreiten. Nach dem teilten sie ihnen Dinge mit, die bei uns heute allgemeine Bildung sind.
Wir stehen gewissermaβen durch die ganz gewöhnliche menschliche Entwicklung jenseits der Schwelle. Das ist der Sinn der geschichtlichen Metamorphose, daβ dasjenige, was in alten Zeiten zum Beispiel nur nach gewaltiger Vorbereitung den Schülern gegeben worden ist, heute von jedem gelernt wird. Jedes Kind wird hinter die Schwelle heute geführt, die die Alten schilderten in der charakterisierten Weise. Warum ist das ? Das ist deshalb, weil wir wiederum durch die menschheitliche Entwicklung auf eine naturgemäβe Weise eine andere innere Seelenverfassung haben, wie die Alten. Wir werden nicht ausgesetzt der Seelenohnmacht, der Seelenbetäubung, die in alten Zeiten gefürchtet werden müβte. Wir haben durchgemacht seit Jahrhunderten als zivilisierte Menschheit durch die intellektuelle Bildung eine Verstärkung, eine Erkraftung gerade des Selbstbewuβtsein. Dieses Selbstbewuβtsein kann nicht dadurch, daβ wir in die Welt, die für die Alten die Welt jenseits der Schwelle war, eintreten, herabgestimmt, herabgelähmt, ohnmächtig gemacht werden. Das kann es nicht. Die Alten würden etwa so gesagt haben: Wenn man überliefern wollte dem unvorbereiteten Menschen die Erkenntnis, daβ die Erde sich im Raume mit groβer Schnelligkeit bewegt, er würde den Boden unter den Füβen zu verlieren glauben; er würde seelisch-geistig das Gefühl haben, als ob er den Boden verlieren würde, als ob er schwindelig würde im Weltendasein.
Das ist heute nicht so. Aber est steht uns dafür etwas anderes bevor. Jene Welterkenntnis die der Alte instinktiv hatte, die geht uns heute verloren, indem wir aus der äuβeren Sinnenwelt erkennen, was dem alten Mensch nur nach langer Vorbereitung gegeben wurde. Wir stehen heute vor einer anderen Schwelle. Wir lernen gerade vom gewissenhaften Naturforscher, wie geredet werden muβ von ‘Grenzen der Naturerkenntnis’, vom ‘Ignorabimus’. Wir spüren diese Erkenntnisgrenzen uberall, wo diese Naturerkenntnis praktisch werden muβ für den Menschen. Wir spüren sie in der modernen Heilkunde, wo so schwer eine Brücke zu slagen ist von der Pathologie zur eigentlichen Heilkunde. Wir spüren sie wenn wir anwenden wollen die Ergebnisse unserer Erkenntnisse auf das soziale Leben. Wir spüren diese Grenzen. Sie sind da. An eine neue Schwelle fühlen wir uns versetzt. Diese Schwelle zu überschreiten in einer dem modernen Menschen angemessenen Weise, das macht sich Geisteswissenschaft zur Aufgabe. Deshalb geht sie aus von der intellektuellen Bescheidenheit, um dasjenige, was gerade groβ geworden ist im modernen Menschen, wiederum zu seinem Maβ zurück zu bringen, und die menschlichen Seelenkräfte aus dem vollen Menschen heraus zu entwickeln. Da knüpft Geisteswissenschaft nun an an zwei im gewöhnlichen Leben ganz bekannte Seelenkräfte, nur entwickelt sie diese weiter. Sie knüpft zunachst an dasjenige an, was wir im gewöhnlichen Leben das Erinnerungsvermögen nennen. Dieses Erinnerungsvermögen, was gibt es uns denn im gewöhnlichen menschlichen Dasein? Es zaubert herauf aus dem Gedächtnis dasjenige, was wir seit unserer Geburt oder einige Jahre nachher erlebt haben, was wir durchgemacht haben. Das tritt in mehr oder weniger blassen Bildern durch die Erinnerung vor unserer Seele. Dauernd wird dasjenige, was in diesem Leben vorüberhuscht.
Wir wissen ja, und die moderne Wissenschaft kennzeichnet es mit groβer Schärfe, daβ, wenn dieses Erinnerungsvermögen nicht intakt ist, eine schwere innere Seelenerkrankung vorliegt. Diese zusammenhängende, bis zur Kindheit zurückreichende Erinnerung muβ im Menschen vorhanden sein.
An dieses Erinnerungsvermögen, diese Erinnerungskraft, knüpfen die geisteswissenschaftlichen Methoden an. Sie machen dieses Erinnerungsvermögen zu etwas Anderem, zu etwas Entwickelterem durch dasjenige, was ich in ausführlicher Weise gekennzeichnet habe in meinem Buche ‘Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten’, in meiner ‘Geheimwissenschaft’, in anderen meiner Schriften, durch dasjenige was ich nenne Meditation und Konzentration. Hier kann ich allerdings nur eine Richtungslinie angeben über dasjenige, was da eigentlich mit der Seele vorgehen muβ, um zum unmittelbaren Erfassen des Übersinnlichen der Welt zu kommen. Der Mensch muβ in hingebungsvoller Art ruhen, energisch und geduldig ruhen auf Vorstellungen, die ihm entweder angeraten werden, oder die er sich selber zubereitet, indem er die Geisteswissenschaft kennenlernt. Er muβ, während sonst die Vorstellungen vorüberhuschen, dauernd, wie die Erinnerung dauernd wird, aus innerer Willkür, aus völliger innerer Besonnenheit, die so groβ sein muβ wie dasjenige, was wir im mathematischen Denken an innerlicher Besonnenheit entwickeln, auf überschaubaren Vorstellungen ruhen, ruhen und immer wieder ruhen. Dann wird er nach einiger Zeit eine ganz bestimmte Entdeckung machen. Er wird fühlen: Mit seinem gewöhnlichen Erinnerungsvermögen ist er abhängig von seinem Organismus, wenn er aber das Erinnerungsvermögen weiter ausbildet zu einer ganz neuen Seelenkraft, dann wird er in eine geistig-seelische Tätigkeit versetzt, in bezug auf welche er jetzt nicht mehr abhängig ist von seinem Organismus. Er lernt verstehen was es heiβt, Denken, Fühlen, Wollen oder ähnliche Tätigkeiten verrichten, ohne daβ ihm der Leib die Unterlage dafür bietet. Er lernt auβer seinem Leibe ein seelisches Leben entfalten. Ich möchte dieses seelische Leben, das der Mensch da als Geistforscher kennenlernt, noch in einer anderen Weise charakterisieren.
Wir finden das gewöhnliche Menschenleben so verlaufend, daβ es wechselt zwischen Wachen und Schlafen. Der Mensch geht durch die Zustände des Einschlafens, des Schlafens und des Aufwachens hindurch. Mit dem Einschlafen wird das Bewuβtsein herabgedämpft. Der Mensch wird sich dessen nicht bewuβt, was er durchmacht zwischen Einschlafen und Aufwachen, weil es das nicht zeigt, was vom Willen aus den Organismus durchpulst. Das aber, was vom Willen aus den Organismus durchpulst, was die Sinne dem Menschen an Wahrnehmung bieten, das bringt der Geistesforscher dadurch zum Schweigen, daβ er sich in selbstgemachte Vorstellungen vertieft. Auf den Inhalt der Vorstellungen kommt es nicht an, sondern auf die Vertiefung; daβ er die Tätigkeit erstarken fühlt in sich, die aus den Tiefen der Seele herausquillt durch solches Ruhen auf Vorstellungen, solches dauernde Ruhen. Er lernt in einem Zustande sein, in dem man sonst nur im Schlafe ist. Während man aber im Schlafe ohne Bewuβtsein ist, ist man da im vollbewuβten Zustand, in innerer Seelentätigkeit und Seelenregsamkeit. Nur, diese Seelentätigkeit und Seelenregsamkeit bezieht sich nicht, wie die Erinnerungsbilder des gewöhnlichen Lebens, auf Dinge, die wir durchgemacht haben in der äuβeren Welt, und die jetzt nur heraufsteigen aus dem Gedächtnis, sondern diejenigen Bilder – ich nenne sie Imaginationen in den angeführten Werken – sie lassen sich sofort erkennen als dasjenige, was abbildet eine Welt, die wir nicht zwischen der Geburt und dem jetztigen Zeitpunkte durchlebt haben, sondern eine Welt die auβer uns ist, so wie für die Sinne die Farben und Töne auβer uns sind, die Wärmequalitäten auβer uns sind. Wir lernen erfahren, daβ die geistige Welt uns umgibt, eine geistige Welt mit wirklichen geistigen Wesenheiten; daβ wir auch in der Zeit zwischen Einschlafen und Aufwachen in derselben sind. Aber jetzt lernen wir sie als eine reale Welt auch anschauen. Und indem wir Dieses lernen, können wir den Blick erweitern über das Leben zwischen Geburt und Tod hinaus. Lernen wir erkennen auf elementarer Stufe, wie das Schlafleben nichts anderes ist als ein Trennen des Geistig-Seelischen vom physischen Leibe, nicht räumlich oder dynamisch, und wie, wenn der Mensch schläft, in ihm, wachsend von Einschlafen bis zum Aufwachen, eine Begierde vorhanden ist, zurückzukehren zum Leibe, lernen wir das beobachten durch solches inneres Schauen wie es sich die entwickelte Erinnerungsfähigkeit ergibt, dann lernen wir die vom physischen Leibe unabhängige Seele kennen. Und wir lernen sie auch beobachten in Zeiten, die unserer Geburt voran gegangen sind, in denen wir gelebt haben in einer geistig-seelischen Welt, aus der wir heruntergestiegen sind durch die Geburt, durch die Empfängnis in die physisch-sinnliche Welt. Wir lernen unterscheiden zwischen dem, was in der Seele lebt als eine bloβe Begierde, den im Bette liegenden Körper wieder zu durchdringen und der ganz anders gearteten, stärkeren Kraft, die die Seele durchwellt in den Zeiten, in denen sie noch nicht empfangen oder geboren ist in einem physischen Leibe, die aber danach tendiert, in die physische Welt hinunter zu steigen, um in ihr das Leben zwischen Geburt und Tod durchzumachen. Dann lernen wir erkennen als Entwicklung desjenigen Vorstellens, das wir gewonnen haben über den Moment des Einschlafens, dasjenige, was Erlebnis der Seele ist, wenn sie durch die Pforte des Todes tritt. Wir lernen erkennen wie diese Seele, weil sie innerlich regsam ist, gerade durch die Begierde zu dem im Bette liegenden Körper getrieben wird; dadurch aber wird ihr Bewuβtsein ausgelöscht. Im Tode löscht sich das Bewuβtsein nicht aus, sondern es bleibt erhalten. Wir erkennen also, daβ das Auslöschen des Bewuβtseins im gewöhnlichen Schlafe davon herrührt, daβ das Band erhalten bleibt zwischen Seele und Leib.
Lernen wir das durchschauen, so durchschauen wir auch das Geheimnis des Todes, wie wir auf die angedeutete Weise das Geheimnis der Geburt durchschauen lernen. Und so lernen wir hinblicken auf dasjenige, was uns als Mensch als Ewiges zu Grunde liegt und durch Geburt und Tode geht. Wir lernen erkennen die innere Kraft der Menschenseele. Wir lernen dasjenige erkennen, was uns durch den Tod führt. Wir lernen erkennen, wie die Seele, in dem sie durch den Tod geführt wird, zunächst kein Band hat zu einem physischen Leibe, daβ sie aber dieses Band wiederum als eine Kraft empfängt, sodaβ sie zu einem neuen Leben heruntersteigt. Dasjenige was wir in der Geisteswissenschaft ‘wiederholte Erdenleben’ nennen, es ist nicht aufgewärmte orientalische Weisheit; es ist aus den Tatsachen des geistigen Lebens, die in der Gegenwart durchschaut werden können, hervorgezogen; es ist wissenschaftlich in derselben Weise aus ihnen hervorgeholt, wie Anderes durch Wissenschaft erfahren wird. Und derjenige, der davon spricht, daβ mit solchen Dingen nur alte Weistümer, wie etwa die gnostischen oder orientalischen, etwa indischen Weistümer aufgewarmt werden, der soll nur gleich sagen: wenn wir heute Geometrie treiben, wärmen wir nur den alten Euklid auf. Nein, es wird nicht bloβ etwas historisches hervorgeholt, sondern aus ursprünglichen Erkenntnissen ist das geholt, was über solche Dinge zu sagen ist.
Dann aber, wenn wir so uns selber kennenlernen, wenn wir so das Ewige der Erkenntnis erschlieβen, dann erschlieβt sich uns auch das Ewige, das Übersinnliche, das Geistige der äuβeren Welt. Dann gewinnen wir ein anderes Verhältnis zur Naturforschung, als es uns sonst gegenüber der heutigen zivilisatorischen Geistesströmung möglich ist. Was gibt uns – und wenn sie ehrlich ist, kann sie uns nichts anderes geben – was gibt uns die moderne naturwissenschaftliche Weltanschaung ? Ihr darf das nicht zum Vorwurf gemacht werden, was ich jetzt charakterisieren werde, denn sie wird nichts anderes bieten können, wenn sie ehrlich und gewissenhaft vorgeht – sie gibt uns ein Bild des äuβeren, natürlichen, notwendigen Geschehens. Sie kann nicht anders als zurückblicken in diejenigen Zeiten der Erdenentstehung, die sie erschlieβt aus den biologischen, aus den astronomischen Tatsachen oder aus anderen Tatsachen. Da steht am Ausgangspunkte der Entwicklung eine Nebelwelt oder dergleichen. Mag das heute auch als hypothetisch angesehen werden, die Naturwissenschaft kann zu nichts anderem kommen, als daβ sich aus rein äuβeren Naturgesetzen, die nur eine elementare Notwendigkeit in sich schlieβen, einmal der Mensch gebildet habe, daβ aber der Schauplatz, auf dem sich der Mensch bildet, einstmals wie eine Schlacke in die Sonne fallen wird; daβ ausgelöscht sein wird alles dasjenige, was der Mensch innerlich erlebt. Und so lernen wir dann kennen neben dem, was uns ehrlicherweise die Naturanschauung nur bieten kann, was aus unserm Innern aufsteigt, die moralische Welt, die ethischen Ideale, das ganze geistige, religiöse Leben; wir fühlen es als wertvollstes in uns, aber wir können es nicht anknüpfen an diese äuβere Welt, weil wir nirgends finden einen Zusammenhang zwischen dem Moralischen in uns und dem Physisch-Natürlichen auβer uns. Wir müssen sie, wenn wir auf dem Boden der heutigen Weltanschauung bleiben wollen, als zwei nebeneinander hergehende Welten betrachten. Aber dann macht die naturwissenschaftliche Weltanschauung ihre Überzeugungskraft so geltend, daβ sie doch prädominiert, daβ sie dennoch sagt: Die Ideale mögen schön sein, sie müssen da sein, der Mensch muβ sie als wertvoll anerkennen, aber die Welt in der wir leben wird doch einstmals der groβe Kirchhof sein, auf dem die Ideale, die jetzt für uns das wertvollste sind, begraben werden.
Durch Geisteswissenschaft, indem sie einmal hinein sieht in das Übersinnliche der Welt, indem sie wiederum Geistiges in jedem Stein, in Pflanze und Tier, in der Wolke und im Quell sieht, wie es den Alten sich enthüllt hat, dadurch daβ der Mensch selber in sich die Organe des Geistigen entwickelt hat, daβ er sich selber als der geistigen Welt angehörend erkennen lernt, lernt er auch die äuβere Geisteswelt in der ganzen Natur kennen. Dadurch aber kann er zurückschauen in ferne Erdenzeiten, und kann sich sagen: Dasjenige was materiell entstanden ist, in dem du heute drinnen lebst, ist aus Geistigem hervorgegangen, und dasjenige was du heute erlebst aus Materielles, es wird wiederum in der Zukunft in physische Schlacke verwandelt werden; die physische Schlacke wird abfallen, wie der Leib vom sterbenden Menschen abfällt. Aber wie die irdisch sterbende Menschenseele in die geistige Welt eintritt, so wird dasjenige, was im Menschen, in der Menschheit lebt, in eine geistige Welt eintreten. Die materielle Welt erscheint als ein Mittelstück zwischen einer Geistigen und einer anderen Entwicklung. Der Mensch aber gehört der Geistentwicklung der Urzeit und er gehört der Zukunft an. Und wir können uns heute sagen, wenn wir so den Weltenzusammenhang aus der Geisteswissenschaft, aus der wirklichen Erkenntnis des Übersinnlichen erschauen: Nicht wahr ist es, daβ dasjenige, was uns als materielle Welt umgibt, in der Weise eine Zukunft hat, wie die äuβere Wissenschaft, wenn sie ehrlich ist, wohl anerkennen muβ, sondern wir müssen sagen: dasjenige, was äuβere Natur ist, es wird abfallen von dem, was innerlich ist und was die menschliche Seelen in sich tragen. Es wird das Geistige, dem die Menschen angehören, verlassen, wie der Körper die Menschenseele verläβt. Aber dasjenige, was heute in uns lebt als sittliche Ideale, als religiöse Erlebnisse, das wird Zukunft haben. Das wird einstmals der Erde sich entringen, wie die einzelne menschliche Seele sich dem menschlichen Leibe zur Lebendigkeit und nicht zum Tode entringt. Wenn aber der Mensch fühlen lernt: dasjenige, was moralisch in ihm ist, es ist wie der Pflanzenkeim, wenn die Pflanze, wenn Blüten und Blätter verwelken und verdorren, der Kreis bleibt für das nächste Jahr von der vorjährigen Pflanze; wir tragen in uns als Keim eine ferne Zukunft, in der auch die Erde nicht mehr sein wird; wenn alles andere, durch das wir der Erde angehören, von uns abfällt, wir tragen unsere Ideale, unsere erfüllten Pflichten, wir tragen das soziale, das religiöse Leben in uns, das der Erde sich entringt mit der Menschheit.- Bedenken wir, was das bedeutet für dasjenige, was der Mensch aufnimmt als die Impulse für sein soziales Handeln. Er steht mit einem solchen Bewuβtsein nicht mehr da im sozialen Leben, wie ein Einsiedler auf der Erde, der eigentlich nur denken kann: was mir angenehm ist als Pflicht zwischen Geburt und Tod, das erfülle ich, denn die Erde ist ja nur ein Körper im Weltenraum; sie vergeht. Und wenn sie materiell vergangen ist, was soll dann aus den Idealen werden – Bleibt er treu der Naturwissenschaft, gibt er nicht vor, aus anderen Quellen etwas zu wissen, was nicht mit Naturwissenschaft vereinigt zu werden braucht, so wird er notwendig haben, das, was Ideale sind, einzufügen der natürlichen Notwendigkeit- Durch Geisteswissenschaft aber wird sein Erdenbewuβtsein zugefügt an das kosmische Bewuβtsein. Das ist die Art, über diese Dinge zu denken, die der moderne Mensch braucht.
Stellen wir uns vor das heutige soziale Leben. Wir stellen groβe soziale Forderungen als heutige Menschheit, allein wir haben wenig Soziales in unserer inneren Seelenverfassung. Soziale Instinkte, soziale Triebe haben wir nicht. Gerade weil wir sie nicht haben, fordern wir so viel äuβerlich Soziales vom Leben. Aber alles dasjenige, was der Mensch heute als Egoismus fühlt gegenüber den sozialen Trieben, es ist ja im Grunde genommen nur eine Ausbildung des Einsiedlerbewuβtseins auf der Erde, wie es der Anschauung, die rein naturwissenschaftlich ist, entspricht. Lernt uns wiederum erkennen: Alles das, was du tust deinen Nächsten oder für deinen Nächsten, alles dasjenige, was du wirkst in dem Menschheitszusammenhang, das hat eine kosmische Bedeutung; eine Bedeutung weit über das hinaus, was es für den Tag ist. Verknüpft man so das Erdensein wiederum mit dem universellen Dasein, weiβ sich der Mensch wiederum drinnen im universellen Dasein, dann bekommen die sozialen Fragen andere Impulse als sie heute haben.
Daher ist es schon so, daβ von drei Seiten her den Menschen etwas gegeben werden kann durch dasjenige was anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft ausbilden will. Vorerst wird ihm gegeben eine neue Menschenerkenntnis, eine Einsicht in die übersinnlichen Gründe seine Daseins. Selbsterkenntnis wird ihm gegeben im wahren Sinne des Wortes. Er kann wiederum die Schwelle überschreiten. Die Grenzen der Naturwissenschaft, sie lassen sich überschreiten. Er kann wiederum hinüberkommen über sich; er kann wiederum eintreten in die Welt, der er mit seinem Geistig-Seelischen angehört.
Das ist das eine, daβ der Mensch dadurch innerlichen Halt und Sicherheit gewinnt; daβ er nicht ins Bodenlose versinkt, wenn er Welterkenntnis erwerben will, wenn er nicht auf Unbekanntes blicken will jenseits des Teppichs der Sinnesanschauung.
Wenn der Mensch aber so sich erkennt in seinem ganzen kosmischen Zusammenhang, dann tritt er auch dem anderen Menschen entgegen mit jener Menschenachtung, die entstehen muβ, wenn man wiederum weiβ: es steht dir gegenüber ein Geistig-Seelisches mit jedem Menschen. Unser ganzes staatlich-rechtliches Leben wird auf einen anderen Boden gestellt, wenn man weiβ, daβ es nur dadurch einen Sinn hat daβ es die äuβere Umkleidung ist desjenigen, was auf die Erde verpflanzt ist aus dem Geistigen an menschlichen Seelen, die man auch erkenntnismäβig durchschaut.
Und das Dritte ist, daβ das menschliche Leben eine unmittelbar religiöse Nuance erhält, wirkliche Brüderlichkeit, weil der Mensch sich so verhält, wie wir das Wort auffassen können; das schöne, wunderbare Christuswort: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. So sagte diejenige Wesenheit, durch die die Erde erst ihren Sinn erhalten hat, ohne die sie keinen Sinn haben würde.
Aber wahr ist es, daβ es so ist mit den menschlichen Idealen selber. Sie keimen, während das andere reif ist und herum abwelkt. Sie sind für die Zukunft. Alles das, was im Sozialen sich auslebt, ist im Grunde genommen dasjenige, was Keim ist zu Zukunftswelten; wie dasjenige, was uns heute als naturgemäβe Welt, als materielle Welt umgibt, die materielle Ausgestaltung früherer moralischer Welten ist.
Wenn wir das durchschauen, wird uns von drei Seiten neue Kraft zugeführt. Und von innen heraus muβ sich umgestalten auch das soziale Leben.
Ich habe auch 1913 und 1908 über anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft in Holland gesprochen. Dazumal konnte ich nur hinweisen auf dasjenige, was von diesem Geisteswissenschaft angestrebt wird, allerdings nicht in sektiererischer Weise oder mit dem Willen, eine neue Religion begründen zu wollen. Nein, das will Geisteswissenschaft nicht. Sie will Wissenschaft sein, und gerade durch ihre Wissenschaftlichkeit zu der wahren Religion, die das Mysterium von Golgatha in den Mittelpunkt der Erdenentwicklung stellt, in der rechten Weise hinführen. Ich konnte darauf hinweisen damals, wie in vielen Seelen so etwas entstanden ist wie eine Weltanschauung. Seither ist aber Einiges dazu gekommen. Wir konnten beginnen im Jahre 1913 in Dornach bei Basel mit dem Bau des Goetheanums, einer freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Dieser Bau hat allerdings mancherlei Schwierigkeiten geboten; namentlich die Zeiten der Weltkatastrophe haben auch schwere Zeiten über diesen Bau gebracht. Aber wir dürfen doch sagen: Wir konnten in diesem Herbste, trotzdem der Bau noch nicht fertig ist, und noch Vieles zu seiner Fertigstellung gehört, eine Anzahl von Kursen abhalten. In diesen Kursen sollte gezeigt werden, wie in allen Wissenschaften hinein befruchtend wirken kann dasjenige, was ich Ihnen heute in den Grundlagen geschildert habe – über das Sie aber in den charakterisierten Büchern Genaueres finden können – als anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft. Bei diesen Dornacher Herbstkursen haben gewirkt 30 Persönlichkeiten etwa, Fachleute aus allen Wissenschaften, aus Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Jurisprudenz, Geschichte, Soziologie. Auch Künstler haben gewirkt, welche von der Geisteswissenschaft aus ihre Kunst beleuchtet haben. Männer des praktischen Lebens, des industriellen, des kommerziellen Lebens haben mitgewirkt um zu zeigen, wie man, wenn man im Sinne der Geisteswissenschaft denkt, nicht etwa ein unpraktischer Mensch wird, sondern wie man gerade ein praktischer Mensch wird, als man es durch irgend eine andere Lebenspraxis der Gegenwart werden kann.
Ferner habe ich in Frühling 1920 vor Ärtzten und Medizinstudierenden, von denen Einzelne auch hier in Holland sind, in einen Kursus zeigen können, wie dasjenige, was Heilkunde im wahren Sinne des Wortes genannt werden kann, wie die Medizin befruchtet werden kann von dieser Einsicht in das übersinnliche Leben. Denn dasjenige, was die äuβeren Produkte des Lebens in den verschiedenen Reichen sind, wir lernen sie in ihrer inneren Natur erst kennen, wenn wir sie auch der übersinnlichen Seite nach betrachten können. Und diejenigen Menschen, die vielleicht dasjenige, was man zunächst in Weltanschauungsform über die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft gibt, aufnahmen, sie sollten sich doch ein wenig erkundigen, wie gesprochen werden kann aus voller Sachkenntnis heraus zu den Fachleuten, wie aus den einzelnen Fächern der Wissenschaft heraus gesprochen werden kann ohne Dilletantismus und mit voller Beherrschung desjenigen, was moderne Wissenschaft ist, zur Erneuerung der Wissenschaft, gerade zur Hinausführung derjenigen Grenzen, die nicht empfunden werden theoretisch als Grenzen, sondern die empfunden werden als Grenzen, die als unbefriedigend, als ungenügend in der praktischen Wirkungsweise der Wissenschaft auf das Leben sich anzeigen.
So konnten wir im Herbste das in solcher Weise für die einzelnen Wissenschaften und Zweige des praktischen Lebens und der Kunst zeigen, wie Geisteswissenschaft überall anregend wirken kann. Und diejenigen, die zahlreich versammelt waren – bei der Eröffnung dieser Kurse waren mehr als tausend Menschen anwesend – sie konnten sehen, was dieses Goetheanum selbst als äuβerer Bau darstellt. Wenn man sonst eine Hochschule errichtet hat, was hätte man dan getan ? Man hätte, wenn man ein besonderes Gebäude gebraucht hätte, worin man dieses oder jeniges geistiges Leben treiben will, oder Wissenschaft treiben will, einen Architekten gerufen; man hätte sich einen griechischen, einen romanischen, einen gothischen oder einen Renaissancebau entwerfen lassen oder etwas Anderes. Das war nicht möglich in Dornach bei unserer freien Hochschule, dem Goetheanum. Da muβte durchaus aus den selben Seelenimpulsen heraus, aus denen dort gesprochen und geforscht werden soll, auch gebaut, gebildhauert, gemalt werden. Und so sieht man in einem allerdings ersten Versuche – der erste Anhub kann ja nichts Anderes sein – in einem neuen Baustil dieses Goetheanum aufgeführt. Denn dasjenige, was Geisteswissenschaft ist, es ist nicht einseitige Kopfkultur, es ist etwas was eingreift in alle Zweige des praktischen Lebens. Es ist etwas, was, ohne lehrhaft oder didaktisch oder symbolisch oder strohern allegorisch zu werden, befruchten wird auch künstlerisches Schaffen. Was vom Podium aus verkündet wird als Geisteswissenschaft, was da in Ideen, in Gedanken, in wissenschaftlichen Resultaten mitgeteilt wird, es kommt aus demselben Quellen des Seelenlebens heraus, aus dem die Säulen gebaut sind, aus dem die Decke gemalt ist, aus dem die Figuren, die bildhauerisch verfertigt sind, entstanden sind. Man spricht das eine Mal von dem lebendigen Geistesleben durch Worte, das andere Mal durch die Formen der Baukunst oder der Bildhauerkunst oder durch die Malerei undsoweiter. Geisteswissenschaft ist etwas, was aus dem vollen Menschen herauskommt, dadurch aber auch in alle Zweige des menschlichen Lebens eingreifen kann.
Es haben sich sehr viele opferwillige Menschen gefunden, welche uns bisher soweit unterstützt haben, daβ wir diesen Bau zu dem Punkte führen konnten, zu dem er bisher geführt worden ist. Allein mit Wehmut möchte man bekennen, daβ noch Vieles notwendig ist, und eine groβe Anzahl ebenso die Sache verstehender Menschen sich finden müssen, wenn dieser Bau vollendet werden soll; die uns in der nötigen Weise unterstützen in Bezug auf die äuβere Vollendung dieses Baues, wie sie sich schon gefunden haben. Aber man möchte ja, daβ dasjenige, was gemeint ist mit diesem Bau, eindringlich zu den Seelen der Menschen spricht.
Und wir sind nicht stehen geblieben bei demjenigen, was bloβ der Dornacher Bau ist, sondern wir sind auch zu praktischen Einrichtungen geschritten vor allen Dingen auf dem Gebiete des Erziehungswesens. Und da darf ich heute nur kurz hinweisen – ich werde noch am 24. des Monats zu besprechen haben, was praktische Einrichtungen sind, die folgten aus anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft für das praktische Leben selber – da darf ich nur kurz erwähnen, daβ in Stuttgart als Schöpfung Emil Molts die freie Waldorfschule begründet worden ist, die von mir geleitet wird nach den pädagogisch-didaktischen Impulsen, die aus der Geisteswissenschaft flieβen können. Diese Waldorfschule, trotzdem sie erst kurz besteht, sie hat gerade in erzieherischer Weise und im Unterricht Erfolge zu verzeichen, von denen ich auch am 24. des Monats sprechen werde.
Dann sind wir dazu geschritten, dasjenige zu bilden, was rein praktische Einrichtungen, ökonomische Einrichtungen sind aus dem Geiste der Geisteswissenschaft heraus. Denn überall soll gezeigt werden, daβ diese Geisteswissenschaft nicht meint ein weltfremdes, weltenfernes Geistesleben, zu dem man nur aufsteigen kann, wenn einem das irdische Leben zu schlecht dünkt. Sondern Geisteswissenschaft ist so gemeint, daβ man mit dem Geiste gerade sich durchdringt, um ihn in alles Materielle, auch in das ökonomisch Materielle hineinzutragen, sodaβ alles durchgeistigt und damit wahrhaft praktisch wird – Über das werde ich ja noch am 24. des Monats auch Manches zu sagen haben. Da werde ich sprechen über Erziehungs- und Unterrichtsfragen und über das praktische Leben vom Standpunkte anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft aus. Heute wollte ich nur auseinandersetzen, was die Richtung, der eigentliche Geist und Sinn dieser Geisteswissenschaft sind, und wie dann dieser Geist und Sinn der Geisteswissenschaft entgegenkommt gerade den suchenden Seelen der Gegenwart. Und so sehr man auch dieses Seelensuchen als Phantasterei, als Narretei verschrieen hat – die Menschheit wird gerade erfahren müssen, aus den katastrophalen Ereignissen der Gegenwart, aus alledem, was heute so deutlich seine Niedergangs- und Ermüdigungsstimmung ausspricht, aus alledem, was in der modernen Zivilisation sich erkündigt als das, was die moderne Zivilisation in Dekadenz führt – aus alledem wird die Menschheit lernen müssen, daβ die suchenden Seelen auf dem rechten Wege sind; und von diesen Suchenden Seelen diejenigen, welche das, was doch im Innern als das Tiefste, Bedeutsamste erlebt werden muβ, auch im ganzen übrigen universellen Weltenall suchen; welche suchen im Geiste den Geist. Denn meine sehr verehrten Anwesenden, man mag den Geist verleugnen, auch aus der Verleugnung muβ zuletzt durch Reaktion dasjenige hervorgehen, was dann die Überzeugung hervorruft: Die Menschheit kann auf die Dauer ohne Geist nicht sein, denn die innersten Tiefen der Seelen, sie brauchen den Geist ! Und dasjenige, was so die Seelen brauchen, das möchte, allerdings heute noch mit schwachen Kräften, anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft suchen.
Fragen im Anschluβ an den Vortrag
Frage: Ist es wirklich hemmend, nach alter Weisheit zu zuchen im Sinne der früheren Zeiten, weil wir innerhalb der gegenwärtigen Zivilisation andere Menschen geworden sind?
Dr. Steiner: Das ist durchaus so, meine sehr verehrten Anwesenden! Es ist ja heute vielfach die Sehnsucht nach Erneuerung alter Weisheit vorhanden. Wenn man mit so etwas vor die Mensheit hintritt, wie es die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft ist, die aus den unmittelbaren Quellen des heutigen Geistesleben selbst heraus schöpft, und dadurch, rein äuβerlich betrachtet, zu Manchem kommt, was ähnlich ist dem, was auch den Alten bekannt war, so ist es so, daβ dann die Leute kommen und sagen: Warum denn das Alte nicht? Daβ sich viele Menschen nichts anderes denken können, daβ widerspricht durchaus den Sinn der Menschheitsentwickelung.
Betrachten wir die Sache einmal von einem Gesichtspunkte aus, der einem Vieles erläutern kann:
Nehmen wir an, irgend jemand wollte unbeschadet desjenigen, was ich eben jetzt gesagt habe, einfach dadurch Befriediging für seine Seele suchen, daβ er, sagen wir, alt-indische Weisheit in der modernen Yoga-Philosophie oder den Inhalt der Vedanta-Philosophie anwendet, was würde sich dieser Seele ergeben? Etwas würde sich ergeben, was einfach mit dem, was heute diese Seele geworden ist, in Wirklichkeit doch nicht vereinbar ist, was nicht ganz erlebt werden kann von dieser Seele des heutigen Menschen. Es ist dann so, daβ der Mensch glaubt, er habe etwas mit dieser alten aufgewärmten Weisheit; aber er bekommt nicht wirklichen Seeleninhalt, sondern er bekommt einen Seeleninhalt, den er nicht durchdringen kann, an dem er sich eigentlich nur berauscht. Solches Berauschen finden wir bei den Menschen, die sich in Gesellschaften zur Erneuerung alter Weisheiten vereinigen. Es tritt dann eine gewisse innere Unwahrhaftigkeit in der Seele auf. Man glaubt etwas zu haben, aber man kann es doch nicht haben. Und diese innere Unwahrhaftigkeit, das ist etwas, was, auch wenn es gar nicht gewollt wird, wenn es selbst in der redlichsten, bewuβt redlichsten Weise von der Seele angestrebt wird, doch zerstörerisch auf das Seelenleben des Menschen wirkt. Es höhlt eher aus, als daβ es mit einem wirklich befriedigendem Inhalte erfüllt.
Man kann auch sagen: die Menschen haben es heute, auch wenn sie nicht teilnehmen an einem wissenschaftlichen Leben, schon durch dasjenige, was in der Schule aufgenommen wird, zu einer bestimmten Art des Selbstbewuβtseins gebracht. Dieses Selbstbewuβtsein, das wird herabgedämpft, herabgestimmt, wenn man eine alte Weltanschauung, trotz ihrer Schönheit, in sich aufnimmt. Man dämpft das Bewuβtsein herab und kommt nicht zu einem wirklichen Begreifen, sondern zu einem Phantasieren, wenn es auch manchmal einem Träumen eher ähnlich sieht. Es ist nicht Realität in einer solchen Seele, die so etwas Altes aufnimmt. – Das sind Dinge, die nur aus der Erfahrung gesprochen werden können. Theoretisch kann man natürlich glauben, daβ, was in alten Zeiten für den Menschen das Rechte war, müsse es auch heute noch sein. Aber ich muβ sagen, man findet selten über diesen Punkt das richtige Verständnis.
Ich war einmal hoch erfreut, als mich in Berlin ein amerikanischer Geistlicher, der sich viel mit Geisteswissenschaft beschäftigt hat, besuchte. Er is leider schon gestorben, trotzdem er noch ein junger Mann war, und so aus seinem Wirken in Amerika heraugerissen worden. Er sprach mich gleich mit folgenden Worten an, er sagte: Sie reden heute von dem, was Sie als antroposophische Geisteswissenschaft vertreten, was in Ihren Büchern steht, zum Beispiel in der “Geheimwissenschaft”, in den “Kernpunkten der sozialen Frage” oder sonst in sozialer Anschauung von dem, was als Impulse kommen soll in die Welt. Glauben Sie, daβ dasjenige, was Sie jetzt geben, seinem Inhalte nach, so wie Sie es jetzt geben, dauernd bleiben muβ? Ich sagte, indem ich sehr gut bemerkte, daβ er gerade auf dem richtigen Wege war: “Das glaube ich nicht. Ich bin durchdrungen von der Anerkenntnis der Menschheitsentwickelung, daβ der Geist zwar lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, daβ aber das, was wir an Begriffen in unserem ganzen, vollen Menschentum ausprägen über den Geist, sei es in Religion, Wissenschaft oder Kunst, in voller Entwickelung ist. Und so glaube ich, daβ das, was ich als anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft vortrage, das Richtige für die Gegenwart ist, daβ es aber gerade deshalb das ist, weil es sich nach einer verhältnismäβig kurzen Zeit – die Zeiten gehen ja immer rascher – ganz verändert haben wird, ganz andere Metamorphosen annehmen wird”.
Gerade aus dieser Frage ersah ich, daβ ich von diesem Amerikaner recht gut verstanden wurde. Diese Empfindung muβ man haben gegenüber dem, das liegt in der Menschheitsentwickelung.
Frage: Aus welchen Gründen nehmen Sie an, daβ in früheren Schulen nicht mehr gelehrt wurde, als heute bekannt geworden ist?
Dr. Steiner: Das habe ich nicht gesagt. Es wurde in früheren Schulen sehr viel anderes gelehrt, als was jetzt bekannt geworden ist. Denn ich glaube, daβ in den weitesten Kreisen sogar unbekannt ist dasjenige, was ich heute gesagt habe über den Unterricht in den alten Schulen. Was heute bekannt ist in der Hauptsache, im Duktus, in der heutigen Richting der Weltanschauungsfragen, das ist heute allgemeine Bildung, das ist das Bedeutsame. Ich habe in einem Beispiel angeführt die heliozentrische Weltanschauung; man könnte sehr viele solcher Beispiele anführen. Geht man zurück in alte Kulturen, dann findet man überall, – allerdings muβ man erst die Sprachen der alten Kulturen verstehen, und hinauskommen über das Vorurteil, als ob der primitive Mensch sich irgendwelche Weltanschauung zusammendichte und nicht seine Erfahrungen sprechen liesse, – man findet überall einen Inhalt der alten Weltanschauungen, vor dem man Achtung bekommt, immer mehr und mehr Achtung bekommt. Gerade indem man alte chaldäische Weltanschauungsideen kennenlernt, und sonstige Blüten alter Seelenverfassungen, der indischen, ägyptischen, der griechischen Weltanschauung in ihrer wahren Gestalt, in ihren tieferen, vollmenschlichen Impulsen, bekommt man eine groβe Achtung vor dem Alten. Aber man lernt dann auch kennen jene Seelenerfahrungen, wenn man Geistesforscher ist. Es ist ja wirklich nicht so, daβ man die Dinge aus der Phantasie heraus produziert. Ich muβ sagen: Ich habe begonnen mit manchem, was ich heute vortrage in Bezug auf die Forschungen vor 30, 35 Jahren, und erst seit wenigen Jahren wage ich, diese Dinge auszusprechen, weil ich mittlerweile daran gearbeitet habe. Alles das, was ich über den dreigliedrigen Menschen in meinem Buche “Von Seelenrätseln” gesagt habe, geht auf eine dreiβig- bis fünfunddreiβigjährige Forschung zurück. Da kommt man dann auf manche Dinge, die allerdings dann in der modernen Art erforscht sind, mit denen man zusammenhängt in Gemäβheit des modernen Seelenlebens, die aber in gewisser Weise aus dumpfen Instinkten eines für uns nicht mehr brauchbaren Seelenlebens in alten Weistümern vorhanden waren. Dann geht einem ein groβartiges Respekt vor dem auf, was die Alten auf ganz andere Weise errungen haben, was wir heute wieder finden, was wir aber heute auf eine ganz andere Weise suchen müssen. Und ich möchte sagen: Dasjenige, was den Alten aus Instinkt aufgegangen ist, das ist unserem Instinkt verloren gegangen. Dasjenige aber, was sie sich errungen haben jenseits der Schwelle, das ist Ergebnis unserer gewöhnlichen Erziehung. Wir müssen aus einem entwickelten Bewuβtsein heraus wiederum das entwickeln, was die Alten aus ihrem Instinktleben heraus als Welterkenntnis gehabt haben.
Das sind tiefe Zusammenhänge. Die äuβere Geschichte spricht eigentlich auf jedem Blatt davon, wenn man die äuβere Geschichte zu lesen versteht und sich nicht begnügt mit irgendwelchen bloβ übernommenen Wortbedeutungen.
Zum Beispiel, dasjenige, was indische Weisheit ist, man kann es so übersetzen, wie Deussen es übersetzt hat. Dann bekommen aber diejenigen, die solchen Übersetzungen erhalten, keine Vorstellung von dieser indischen Weisheit. Man kann sich aber auch mit dem Geiste durchdringen, dann lernt man erkennen, daβ in den alten indischen Weisheitsschulen auf Grundlage der Yoga-Philosophie Dinge gefunden werden, die wir auf andere Weise suchen müssen: und auf diese Weise kommt es an. Wir lernen erkennen, wie sich die Leute sagten: Wenn wir von unserem gewöhnlichen Bewuβtsein ausgehen, hängen wir mit der Welt nicht sehr zusammen. Wenn wir aber ausgehen von den Dingen, die uns mehr geben als die Sinneswahrnehmungen, wenn wir uns vertiefen in den Atmungsprozess, dann geht uns, indem wir innerlich organisch das Atmen verfolgen, der Sinn der Welt in ganz anderer Weise auf. Das wurde dann verzeichnet, was als Sinn der Welt auf diese Weise aufging. Wir können nicht mehr diese Yogaschulen erneuern, und tun wir es, so verkümmern wir den Organismus. Denn das, was den Leuten aufgegangen ist, das ist in der Hauptzügen heute allgemeine Menschenbildung. Wir müssen etwas Anderes tun. Wir müssen dasjenige, was wir uns vollkommener angeeignet haben als die Alten, die intellektuelle Kultur, vertiefen, so daβ wir den Intellekt hineinpflanzen in das Gefühls-und Willensimpulsleben, so gelangen wir tiefer in die menschliche Natur und in die Natur überhaupt. Wir kommen auf diese Weise zum Geistigen. Wir müssen einen anderen, einen seelisch-geistigen Weg gehen. Und indem man weiβ, was eigentlich der Weg indischer Weltanschauung war, lernt man erst dasjenige verstehen, was in der Schriften mitgeteilt ist. Denn man kann immer, wenn man eine übersinnliche Wahrheit später auf andere Weise entdeckt, sie in ihrer früheren Gestalt verstehen, wenn auch das Umgekehrte nicht der Fall ist. Aus solchen Erkenntnissen ergibt sich das, was ich gesagt habe über die Beziehungen desjenigen, was heute allgemeine Menschheitsbildung ist, zu demjenigen, in das die alten Schülern eingeweiht worden, initiiert worden sind.
Es ist durchaus nicht möglich, in einem Vortrag, der ja schon zu lange gedauert hat, mehr zu geben als Richtlinien. In der Literatur werden Sie aber finden, daβ jede Behauptung, die in einem solchen Vortrage getan wird, auf ihre Beweisgründe hin immer wiederum umgewendet worden ist, und daβ es schon so ist, daβ die meisten Einwände, die gemacht werden, sich der Geistesforscher in der mannigfaltigsten Weise schon selbst gemacht hat.
Das ist dasjenige, was ich sagen wollte über die Berechtigung eines solchen Urteils, wie ich es abgegeben habe. Es ist aus den apologetischen Überlieferungen durchaus möglich zu sagen, daβ es so ist, wie ich es an dem einen Beispiel des Aristarch von Samos und der heliozentrischen Weltanschauung auseinandergelegt habe.
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